Am Wochenende vom 28. bis 29.9.2019 fanden am Red Bull Ring (Spielberg, AT) die E-Mobility Playdays - Europas größtes E-Mobility Event - statt. Am Sonntag war ich das erste Mal zu Gast bei diesem jährlichen Event auf der “Heimstrecke”.

Audi e-tron Vision Grand Turismo verlässt die Box. Das Fahrzeug wurde aus der Bulls Lane fotografiert, als es von der Slow- in die Fast-Lane der Boxengasse wechselt. Audi e-tron Vision Grand Turismo. Kamera: iPhone 8 Plus

Das Event

Zwei Tage öffnet der Red Bull Ring seine Tore für die Elektro-Welt. Zwar ist die Veranstaltung nicht kostenlos, jedoch erhält man durch zahlreichen Mitgliedschaften (z.B. ÖAMTC), Abos (z.B. Krone) und Gewinnspiele (z.B. Antenne) Freikarten. Geboten wird einerseits ein Streckenprogramm bei dem man diverse Schaufahrten begutachten kann. Darunter Formel E, MotoE, Formula Student und auch der Audi e-tron Vision Grand Turismo.

MotoE Showrun
joanneum racing showrun

Andererseits sind Elektrofahrzeuge und andere Technologien - von selbstfliegenden Drohnen bis hin zu Smart Gardening - in den Boxen ausgestellt. Optisch am aufwendigsten ist der Stand von Mercedes-Benz, der seine Elektro-Reihe EQ vorstellt. Die Suche nach einem Stand von Tesla verläuft allerdings erfolglos.

Heck des Nissan Leaf Nismo RC zur Schau gestellt in der als Showroom verwendeten Box am Red Bull Ring. Nissan Leaf Nismo RC. 322 HP starkes Allrad dual Elektromotor Konzept-Auto für Demonstrationsfahrten. Kamera: iPhone 8 Plus

Mercedes-Benz EQ Showroom mit dunklen Wänden und Boden und blauen LEDs als akzentfarbe (wie in den Autos selbst). Zu erkennen ist die EQC Klasse und die elektrische Version des Vito. Mercedes-Benz EQ Showroom in der Boxengasse - optisch am aufwendigsten in Szene gesetzt. Kamera: iPhone 8 Plus

In einigen Boxen sind dann die Fahrzeuge untergestellt, die für die Showruns verwendet werden. Dabei kann man sehr nahe an die Gefährte heran und kann auch den Mechanikern beim Arbeiten zusehen. Ein Highlight sind natürlich die Formel E Fahrzeuge der zweiten Generation. Optisch deutlich ansprechender als ihre Vorgänger setzten sie nun eher auf Ground Effect als auf massive Front- und Heckspoiler. Gut zu erkennen ist das am massiven Diffusor. Das Paddock ist voll mit Ausstellern rund um die E-Mobilität. Von Rollern über Elektroräder der Post findet man so einiges.

Hackansicht des Audi e-tron FE06 Formel E Autos in Audi Sport ABT Schaeffler Lackierung in der Box. Audi e-tron FE06, das Formula E Auto des Audi Sport ABT Schaeffler Teams mit den Fahrern Lucas di Grassi und Daniel Abt. Die Gen2 Autos sehen auch richtig gut aus, man beachte den Diffusor. Kamera: iPhone 8 Plus

MotoE Motorrad mit Heizdecken auf den Rädern in der Box. Auch die MotoE - die das elektrische Gegenstück zur MotoGP war vertreten. Kamera: iPhone 8 Plus

Das HWA Racelab Formula E Auto parkt neben dem LKW in der "Werkstatt" im Paddock. HWA Racelab Formula E Auto von Garry Paffett und Stoffel Vandoorne. In der nächsten Saison wird das Team als Mercedes-Benz EQ Formula E Team teilnehmen. HWA wird jedoch weiter für die Durchführung der Rennen verantwortlich sein (wie das bis 2018 auch in der DTM der Fall war). Kamera: iPhone 8 Plus

Bevor wir zum Herzstück der Veranstaltung kommen, habe ich, nach einer mittäglichen Stärkung in der Bull’s Lane, dem Café beim Eingang neben dem Shop einen Routinebesuch abgestattet und mir einen Espresso einverleibt.

Afro Coffee Espresso mit kleinem Keks und einem Glas Wasser. Da das Café im voestalpine Wing keinen Namen zu haben scheint (4sq: Bull’s Lane, G-Maps: Voest Alpine Wing Cafe, OSM: Nicht existent), nenne ich es Bull’s Lane Café. Hier bekommt man guten Afro Coffee und leckere Mehlspeisen bei äußerst freundlicher Bedienung. Kamera: iPhone 8 Plus

Das Beste der Veranstaltung ist nämlich, dass es möglich ist, Elektrofahrzeuge diverser Hersteller selbst zu testen. Dafür gibt es zwei “Strecken”: Ein Parkour im Driving Center und die Nordschleife des Rings selbst - wobei die Schönberg-Gerade zu einem weitläufigen Slalom (Riesentorlauf?) umfunktioniert wurde.

Driving Center

Ohne jegliche Erfahrung mit Elektrofahrzeugen oder generell Automatik-PKWs, habe ich mich zuerst im Driving Center für die Marke meines Privat-PKWs Renault angestellt. Da der eigentlich von mir für eine Testfahrt vorgesehene Zoe jedoch gerade an der Steckdose hing, war das nächste freie Fahrzeug ein Lieferwagen: Ein Renault Kangoo Z.E.

Renault KANGOO Z.E.

Let’s go electric. Let’s go Automatikgetriebe. Okay, das war der einfache Teil. Ein Hebel, vier Stellungen, keine Kupplung. Fahren ist genau so leicht. Pedal rein und los geht’s. Für einen Lieferwagen hat der Kangoo Z.E. eine nicht allzu schlechte Beschleunigung - zumindest leer. Etwas schwerer ist das Bremsen. Das KFZ scheint bereits beim Wegnehmen des Stroms - Gas ist es ja keines - zumindest elektrisch etwas zu bremsen. Betätigt man zusätzlich die Bremse, hängt man schnell mal im Gurt.

Die Reichweite, die Renault in dem Fall angab, waren zwischen 160 und 260 km. Der Hersteller hat dazu eine eigene Seite, mit der man den Verbrauch berechnen kann - je nach Zuladung, Temperatur, Geschwindigkeit und ggf. Heiz-/Kühlleistung im Fahrgastraum1. Im Stadtverkehr im Sommer mit 500 kg Ladung und Klima kommt man ca. auf 200 km. Ob das ausreicht, hängt vom Anwendungsgebiet ab.

Alles in allem ganz okay, aber das Fahrzeug hat mich - vielleicht auch mangels Bedarf an einem solchen Nutzfahrzeug - nicht begeistert.

Nordschleife

Die Nordschleife ist der Teil ab nach “Kurve” 2 bergauf zur Kurve 3. Dann die Schönberggerade runter zu Turn 4. Danach wird entlang der Grand Prix Strecke bis zu Kurve 5 gefahren und dann geht es auf das Verbindungsstück, das aus einer links-rechts Kombination besteht und zum Schluss wieder auf die Grand Prix Strecke führt. Im normalen Rennalltag am Red Bull Ring hat die Nordschleife wenig Bedeutung, da sie über keine Boxenanlagen verfügt.

Der Streckenverlauf für den E-Auto-Test wurde durch Pylonen zu einem Slalom auf der Schönberggerade angepasst, ansonst wurde in den Kurven die Ideallinie ebenfalls durch Hütchen markiert.

Die Wahl der PKWs legte ich auf realistische Modelle, was den Preis anbelangt. Ich wollte kein 400 PS Flaggschiff von Mercedes, Audi und Co. testen, sondern halbwegs leistbare Modelle.

Renault ZOE

Innen optisch in hellem Leder gehalten, sieht der Zoe größer aus als erwartet. Das Lenkrad hat dieselben vier Tasten für den Tempomat, die man von den meisten Renaults kennt. Im Gegensatz zum Kangoo Z.E. besitzt der PKW eine elektronische Handbremse. Lenkung und Handling ist okay, mit der Leistung stößt man spätestens hinauf zur Kurve 3 an seine Grenzen. In der Ebene beschleunigt der Elektromotor ziemlich gut. Der Parkour geht mit Vollgas.

Die Reichweite der Z.E. 50 Batterie wird mit 395 km angegeben. Die Autobahnleistung beträgt jedoch nur ca. 180 km. Fährt man Landstraße, kommt man auf ca 250 km. Wird mit dem Eco Mode in der Stadt (und mit 15” Reifen) gefahren, kommt man jedoch über 400 km weit. Folglich ist es ein Stadt-Auto, das für kürzere Pendlerstrecken auch im Land durchaus geeignet ist. Geht man vom schlimmsten Fall aus - minus 15 Grad im Winter - ist bei Ladung am Heimatort dennoch pendeln mit bis zu 65 km via Autobahn möglich2.

Für das Pendeln in und um größere Städte oder auch am Land ist das Fahrzeug ideal. Für Wochenendausflüge ist die Reichweite jedoch nicht immer ausreichend. Als Firmen-PKW ist das Auto aber immer geeignet. Zu haben ist das Einsteigermodell ab 25.390,- zzgl. Batteriemiete (84,- für 10.000 km/Jahr).

NISSAN LEAF

Das zu testende Modell war der Nissan Leaf e+ mit 217 PS im Vergleich zum Einsteigermodell (270 km) wird beim e+ eine Reichweite von 385 km angegeben und liegt somit knapp hinter dem Zoe. Durch die verfügbare Leistung lässt sich jedoch hier viel besser sparsam fahren. Man ist - zumindest vermute ich - eher dazu geneigt bei diesem PKW den Eco-Modus zu aktivieren, als beim Renault Zoe.

Zum Fahren ist der Leaf - mein erster Nissan - angenehm. Die Lenkung ist schön direkt (etwas, dass ich mag). Verwirrend ist der “Ganghebel”, also dieser lustige Knubbel in der Mitte, der zum umschalten zwischen P, R, D, B verwendet wird. P, also Parken geht per Tastendruck auf dem Hebel. R für rückwärts ist - nicht ganz logisch - nach links vorne drücken des Hebels. Links hinten ist - ebenso unintuitiv - D für Drive. Wiederholt man diese Geste, kommt man in den B Modus zum Bergabfahren. Hier gewinnt der Motor stärker an Energie zurück und somit wird die Motorbremswirkung eines Verbrennungsmotors beim Bergabfahren kompensiert. Das Display reagiert leider verzögert auf das umschalten, was gerade beim ersten Schalten von P auf D für Verwirrung sorgte. Der Parkour stellt kein Problem dar. Der Leaf beschleunigt auch bergauf nicht schlecht. Im Vergleich zu meinem 130 PS Diesel-PKW mit Turbo ist die Beschleunigung nicht atemberaubend, da kommt mein Renault gut mit - vom Gefühl her. Lediglich das fehlende Turboloch und die Pause beim Schalten, sprechen hier für den Elektroantrieb. Im Parkour musste ich sogar etwas Energie wegnehmen - also Lupfen.

Eine Besonderheit ist das E-Pedal. Im ersten Versuch - mangels Übung und Wissen - hab ich es zwar gleich wieder abgeschaltet, da die Bremswirkung unerwartet schnell einsetzte, aber nun finde ich es ein äußerst gutes Feature. Ist das E-Pedal per Schalter an der Mittelkonsole (neben der elektrischen Handbremse) aktiviert, ist das Steuern des Fahrzeugs mit einem Pedal möglich (Wie ein Kombihebel in einem Triebwagen). Geht man vom Gaspedal, wird immer weniger Leistung auf die Straße gebracht, bis zu dem Punkt, an dem man rollt. Wird der Fuß nun noch weiter vom Pedal genommen, so setzt eine elektrische Bremswirkung ein, die einerseits die Batterie lädt (Rückgewinnung) und andererseits verschleißfrei den PKW verzögert - bis zum Stillstand (dafür müsste jedoch kurz davor auch die Scheinebremse zum Einsatz kommen, aber das kann ich nicht beurteilen). Im normalen Verkehr (und mit B sogar beim Bergabfahren) soll es so möglich sein ohne Betätigung der Bremse den PKW - mit etwas Übung - punktgenau zum Stillstand zu bringen. Somit ist die Betätigung des Bremspedals nur in Ausnahmesituationen nötig.

Ich am Steuer des Nissan Leaf aufgenommen vom Beifahrersitz. Führerstand/Cockpit des Nissan Leaf mit viel Platz für den Kopf. Kamera: iPhone 8 Plus

Mit dem E-Pedal und diversen Sicherheitsassistenten sowie der besseren Leistung und dem größeren Innenraum, bevorzuge ich den Nissan Leaf gegenüber dem Renault Zoe. Der Preis ist natürlich dementsprechend höher und Nissan bietet - soweit ich das korrekt mitbekommen habe -, als einer der wenigen Hersteller, keine Batteriemiete an. Laden kann man den Leaf leider nur mit Schuko (32h), 7 kW (11,5h) und 50 kW (20-80 % in 90 Min.). Die, in der Gegend gängigen, 22 kW Ladestationen werden nicht unterstützt, also benötigt man auch dort 11,5h zum Laden. Während der Arbeit sind jedoch meist 8h dafür Zeit.

Fazit

Die Veranstaltung animiert dazu, sich mit der Materie Elektromobilität auseinanderzusetzen. So habe auch ich mir überlegt, ob ich meinen Diesel-PKW durch ein Elektroauto tauschen könnte und erstaunlicherweise konnte ich dies mit einem Ja beantworten. Warum? Tägliches Pendeln ist bei mir kein Problem, die Entfernung ist ohne Weiteres auch mit dem Rad bewältigbar. Selbst pendeln zwischen z. B. Leoben und Kapfenberg wäre kein Problem, wenn ich 1-2 mal pro Woche lade. Ladestationen sind mittlerweile auch in der Steiermark in fast jedem Dorf zu finden (z. B. in Vordernberg oder Thörl). Zuhause kann ich, mangels Stellplatz mit Steckdose, nicht laden, jedoch befindet sich ca. 8 Gehminuten von meinem Wohnort entfernt eine Ladestation für 2 PKW (Typ2 7.8 kW). Laden über Nacht oder während der Arbeitszeit wären für mich also möglich. Die Reichweite genügt problemlos, um nach Graz und retour zu kommen. Ausflüge außerhalb der Steiermark versuche ich, auch jetzt schon, am besten mit dem Zug durchzuführen (z. B. Fahrt nach Klagenfurt oder Wien). Eine weitere Fahrt erfordert Ladung am Zielort. Somit sind auch Konzertbesuche in Wien (wo in der Nacht dann kein Zug mehr zu mir nach Hause fährt) problemlos möglich, da die meisten P&R Anlagen mittlerweile über E-Tankstellen verfügen. Für die Zukunft steht ein Camping VW-Bus in Aussicht, daher entfällt die Fahrt in den Urlaub. Und selbst im Studium - das ich schon absolviert habe - wäre das E-Auto kein Problem, dank Ladestation vor der FH.

Außerdem glaube ich, dass man mit dem Elektroauto sparsamer und umweltbewusster fährt. Man achtet eher auf die Reichweite, fährt auf der Autobahn eventuell nicht mehr mindestens 130 km/h, sondern begnügt sich auch mal mit 110 oder 120, weil es viel Akku spart aber gleichzeitig wenig Zeit kostet. An der Kreuzung hat man dennoch den Elektroantrieb, um zügig zu beschleunigen. Das E-Pedal lernt zusätzlich vorausschauendes Fahren (was ich auch jetzt schon versuche. Ich bremse viel mit dem Motor und versuche auch mit dem Diesel PKW das Bremspedal nur zum Anhalten zu verwenden).

Elektro-Roller mit sehr breiten Reifen und Scheibenbremsen. E-Scooter von Scootseeing Vienna. 1799€ teure Scooter mit einer Batteriereichweite von 40-70 km und bis zu 40 km/h Höchstgeschwindigkeit. Kamera: iPhone 8 Plus

Elektromobilität ist nicht die finale Lösung, aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung zur Verkehrs- und Energiewende. Deine Meinung zu dem Thema würde mich brennend interessieren. Schreib doch eine Direktnachricht an http://twitter.stousn.at oder ein E-Mail an stefanreip+blog@gmail.com.